Mitglieder des Deutschen Bundestages, die zu unterrepräsentierten Gruppen gehören, sind aktiver am Gesetzgebungsprozess beteiligt und setzen sich in der Anfangsphase in der Regel stärker für die Interessen ihrer Gruppen ein. Laut einer aktuellen Studie der Universitäten Konstanz, Basel, Genf und Stuttgart wechseln die meisten von ihnen jedoch nach einigen Jahren in andere politische Bereiche. Dies hängt mit den karrierebezogenen Anreizen zusammen, denen diese gewählten Vertreter gegenüberstehen: Anfangs profitieren ihre Karrieren im Parlament von ihrer Fähigkeit, für unterrepräsentierte Gruppen zu sprechen. Im Laufe ihrer Karriere müssen sie jedoch laut den Forschern Expertise in Bereichen jenseits der Interessen dieser Gruppen nachweisen.
Die Studie wurde von Professor Christian Breunig, Professor für Vergleichende Politikwissenschaft an der Universität Konstanz und Hauptforscher im Exzellenzcluster „Die Politik der Ungleichheit“, geleitet. In Zusammenarbeit mit drei Kollegen von den Universitäten Basel, Genf und Stuttgart wurde die Studie durchgeführt und die Ergebnisse wurden gestern im British Journal of Political Science veröffentlicht. Die Untersuchung zielt darauf ab zu ermitteln, inwieweit die etwa 700 Mitglieder des Deutschen Bundestages die vielfältige Gesellschaft des Landes tatsächlich repräsentieren.
Die Forscher analysierten, wie Mitglieder des Bundestages Gruppen repräsentieren, sei es deskriptive oder substanzielle Repräsentation. Die Repräsentation der Gesellschaft durch den Bundestag ist nur zu einem gewissen Grad gegeben, beispielsweise sind nur etwa ein Drittel der Mitglieder Frauen. Um festzustellen, ob Mitglieder des Bundestages aus unterrepräsentierten Gruppen auch die Interessen dieser Gruppen vertreten, wurden 40.000 persönlich unterzeichnete schriftliche parlamentarische Anfragen von insgesamt 1.277 Mitgliedern des Bundestages aus unterrepräsentierten Gruppen analysiert.
Die Studie zeigt, dass Mitglieder unterrepräsentierter Gruppen am Anfang oft aktiver in den parlamentarischen Prozess involviert sind. Im Laufe der Zeit ist es jedoch weniger vorteilhaft für einzelne Mitglieder, sich nur auf die Interessen einer Gruppe zu konzentrieren. Nach ein bis zwei Legislaturperioden nimmt die substanzielle Repräsentation der jeweiligen Gruppen erheblich ab. Dennoch bleiben weibliche Mitglieder selbst in späteren Karrierestadien oft sehr aktiv in Fragen der Chancengleichheit. Eine vielfältigere Parlament zusätzlich zu einer besseren Repräsentation der Wählerinteressen führen kann.