In Deutschland spielt Elena Graf, die 1. Konzertmeisterin der Staatsoper Stuttgart, für einen Zuhörer auf der Violine während der Dreharbeiten eines Trailers für Eins-zu-Eins-Konzerte der Stuttgarter Oper im Terminal 1 des Stuttgarter Flughafens. Die Konzerte finden am 8. und 10. Mai statt. Ein Musiker spielt jeweils zehn Minuten lang für einen einzelnen Zuhörer. Alle Musiker spielen kostenlos, mit den Spenden der Gäste werden freie Musiker unterstützt.
In Italien ist es jetzt möglich, einen Espresso und ein Gebäck mitzunehmen. In Österreich ist es plötzlich möglich, sich die Haare schneiden zu lassen. In Deutschland kann man zu einem Autohändler gehen, vielleicht sogar in ein Museum. Innerhalb von ein bis zwei Wochen werden andere Vergnügen, die früher einmal als Routine betrachtet wurden, wie der Besuch eines Restaurants, in weiten Teilen Europas zurückkehren, da die Länder schrittweise die Lockdown-Maßnahmen lockern und die wirtschaftliche und soziale Aktivität wiederbeleben. Dies bedeutet nicht ganz eine Rückkehr zum “Normalen”, aber für Millionen Europäer ist es eine Erinnerung an das, was Normalität früher einmal bedeutet hat, nun in einem tief veränderten Zustand.
In Italien, das am frühesten und wohl am härtesten von der Pandemie in Europa betroffen war, ist dieser Fortschritt besonders zwiespältig und zeigt große Ungleichheiten innerhalb des Landes auf. Während die Schwere der Pandemie Ungleichheiten entlang sozialer und wirtschaftlicher Linien hervorgebracht hat, die sich grausam in Todesraten übersetzen, ist die Kluft größtenteils geografischer Art. Der wohlhabende Norden, das industrielle Zentrum des Landes, musste brutale Monate unter kriegsähnlichen Bedingungen in den Krankenhäusern erleben, während im Süden, der wesentlich ärmer ist, die schlimmsten Folgen größtenteils ausblieben. Es gibt auch andere Unterschiede. Während in der Schweiz und in Portugal bereits mit der Wiedereröffnung begonnen wurde, beginnt die schrittweise Lockerung der Lockdown-Maßnahmen beispielsweise nächste Woche erst in Frankreich. In Großbritannien, das später als der Großteil des europäischen Kontinents in den Lockdown ging und nun mehr Todesfälle als Italien zu verzeichnen hat, steht die Regierung unter Druck, selbst die ersten Details darüber preiszugeben, wie das Land wieder aufmachen wird. Premierminister Boris Johnson wird voraussichtlich die Details einer Wiedereröffnung am kommenden Wochenende bekannt geben. Die Wiedereröffnung Europas und Chinas zuvor birgt viele Lektionen für die USA. In Fortunes Serie über die Wiedereröffnung in sieben chinesischen Städten beschreiben Bewohner eine tägliche Realität, die sich unwiderruflich verändert hat – selbst die düstersten Tage des Lockdowns, so ein Student in Wuhan, scheinen bereits wie entfernte Erinnerungen. Die Haupterzählung scheint eine Fortsetzung einer Botschaft zu sein, die seit Beginn der Pandemie an Schwung gewonnen hat: Das tägliche Leben wird für einige Zeit, vielleicht für immer, verändert sein – aber die Menschen werden einen Weg finden, sich anzupassen. Die Wiedereröffnung ist jedoch nicht nur hoffnungsvoll, sie birgt auch ernste Risiken. Wissenschaftler warnen seit Beginn des Jahres, dass eine Wiedereröffnung eine zweite Infektionswelle mit sich bringen kann. Einige chinesische Städte haben dies bereits erlebt, insbesondere wenn Reisende aus stärker betroffenen Regionen zurückkehren. Auch der wirtschaftliche Fall für die Wiedereröffnung ist nicht so eindeutig, wie es zunächst scheinen mag. Ökonomen warnen davor, dass eine schlecht getimte und geplante Wiedereröffnung, ohne ausreichende Test- und Nachverfolgungssysteme, die Wirtschaft nicht nur nicht ankurbeln, sondern ihr auch schaden kann. Friseure und Cafés können wieder öffnen – aber die Menschen müssen sich sicher genug fühlen und genug Vertrauen in ihre Regierungen haben, um sie tatsächlich zu nutzen.
